Von Menschen und Dingen (2022)

Göran Gnaudschun – Christian Retschlag

Die Fotografen Göran Gnaudschun aus Potsdam und Christian Retschlag aus Hannover zeigen uns jeweils einen ganz eigenen bildlichen Kosmos. Mit ihren Arbeiten werden sie im Kirchenraum ihre persönlichen Alltags- und Arbeitsbegegnungen mit Menschen und Dingen in einen vielschichtigen Dialog treten lassen.

Göran Gnaudschun ist ein Vertreter der dokumentarischen Porträtfotografie und arbeitet in Farbe, während Christian Retschlag im Medium der Schwarzweißfotografie inszenierte Konzeptserien entwickelt.

Bei Göran Gnaudschun sieht man fast immer Menschen abgebildet, meist als Einzelpersonen, die direkt in die Kamera schauen. „Ich fotografiere Menschen, weil ich ihnen näherkommen möchte. Weil ich mehr von ihnen erfahren will. Ich warte darauf, dass sich in ihnen etwas zeigt.“ So sagt es der Fotograf, der sich dem Menschen als Individuum zuwendet und mit dem Auslöser wartet, bis dieser sich für einen Moment der totalen Anwesenheit lang öffnet, sozusagen „loslässt“. Diese Momente des ausschließlichen Jetzt, in dem sich das Dasein verstärkt – klar, offen und stark – hält Gnaudschun in seinen Bildern fest. Er tut dies gern in bunt gemischten Lebensbereichen, hat dafür beispielsweise in Rom ein ganzes Vorstadtviertel durchpflügt.

Die bewusst etwas spröde gehaltene Bildwelt von Christian Retschlag repräsentiert einen starken Gegensatz, der das Dokumentarische zurückdrängt zugunsten einer konzeptionellen Arbeitsweise. Dafür mischt er in bewusster Konfrontation Motive wie Mensch, Natur und Ding und lässt dabei die Dinge hervortreten, so dass sie es sind, die von den Menschen erzählen. Retschlag interessiert sich in seinem Schaffen darüber hinaus für geschichtliche Kontexte, für die inszenatorische Rückverwandlung des Vergangenen ins Gegenwärtige. Mit seiner Fotografie setzt er sich ein für das Kleine, Unscheinbare, scheinbar Unwichtige, auch für das Flüchtige: Ein weggeworfener Kamm, ein ausgeblasenes Streichholz, ein Zweig (gerne aus der Eilenriede). Indem er selbst die Perspektive des Nebensächlichen ein Stück weit einnimmt, verändert er auch unseren Blick auf die Welt.

PM Markuskirche Hannover