Gerrit Engelke – Ein vergessener Dichter aus Hannover

Nachricht 11. Juni 2019
(c) Stadtbibliothek Hannover

Im Februar hat Wolfgang Grote bereits im Rahmen des Literaturkreises "Wort und Brot" über den hannoverschen Schriftsteller Gerrit Engelke informiert. Nun war er so freundlich, für uns einen biographischen Text über diesen in der Apostelkirche getauften Literaten zu verfassen.

Die Auswirkungen der Industrialisierung auf den einzelnen Menschen beschäftigten auch den Hannoveraner Gerrit Engelke, der diese Entwicklung bereits im Laufe seiner Kindheit unmittelbar miterlebte. Er kam am 21. Oktober 1890 im hannoverschen Stadtteil Vahrenwald zur Welt. Nach dem Besuch der Bürgerschule erlernte er den Beruf des Malers, den er danach weiterhin ausübte. Daneben besuchte er Kurse an der Kunstgewerbeschule, weil er Kunstmaler werden wollte. Im Herbst 1910 begann Engelke, Gedichte zu schreiben – 1912 wandte er sich ganz der dichterischen Arbeit zu.

Auf Wunsch von Richard Dehmel veröffentlichte der Schriftsteller Paul Zech 1913 in seiner Zeitschrift „Das neue Pathos“ drei von Engelkes Gedichten. 1914 wurde Engelke mit den „Werkleuten auf Haus Nyland“, einer Gruppe junger Dichter, die für eine Erneuerung  der Literatur eintraten, bekannt. Zu diesen gehörte auch der Schriftsteller Jakob Kneip, mit dem er Freundschaft schloss.

Als der Erste Weltkrieg begann, hielt Engelke sich in Dänemark auf, um dort in Ruhe an einem Roman zu arbeiten. Obwohl er den Krieg grundsätzlich ablehnte, meldete er sich nach langem Zögern im Oktober 1914 in Flensburg freiwillig zum Militärdienst. Er nahm an Einsätzen in Belgien, Frankreich und für kurze Zeit in Russland teil. Am 13. Oktober 1918 starb Gerrit Engelke in der Nähe von  Cambrai in Nordfrankreich an den Folgen einer Schussverletzung. Die letzte Ruhe fand er auf einem Soldatenfriedhof nahe dem Ort Etaples an der Kanalküste. 1921 gab Jakob Kneip die Gedichtsammlung heraus, die auf Engelkes früher geäußerten Wunsch den Namen „Rhythmus des neuen Europa“ erhielt.

Engelkes Gedichte zeichnen ein anschauliches Bild vom ruhelosen Stadtleben und berichten von der Anonymität und Vereinsamung des Einzelnen im „Menschenstrudel“ der „Häuserstraßen-Enge“, unter der auch er zu leiden hatte. Daneben zeigt sich sein innerer Zwiespalt zwischen der Sehnsucht nach der Natur und dem Heimweh nach der Stadt. Immer wieder dringt sein Wunsch nach weiblicher Liebe und Zuneigung durch. Die Nachtgedichte versprechen Erlösung von den Mühen und Plagen des Tages.

Die zahlreichen Briefe an Freunde und Bekannte erlauben den Einblick in seine Gedankenwelt, seine Wünsche und Gefühle. Sie berichten aber auch vom Geschehen an der Front und den Grausamkeiten des Krieges. Mehrfach äußert er den Wunsch nach Frieden.
Engelke bewundert den technischen Fortschritt, er bezweifelt jedoch, dass der Mensch glücklicher wird, indem er sich immer mehr von dieser neuen materiellen Welt abhängig macht. Sich selbst sieht er als Demokrat und Weltbürger. Er träumt von einem „... vom Krieg befreiten, wieder menschlich-brüderlich werdenden Völkereuropa der Städte, der Arbeit, des Lebens“.

Den Nachlass des Dichters verwahrt das Gerrit-Engelke-Archiv der Stadtbibliothek Hannover. Die Apostelkirche, in der Gerrit Engelke am 26. Dezember 1890 getauft wurde, gehört zu den wenigen heute noch erhaltenen Orten mit direktem Bezug zu seiner Person.

Text: Wolfgang Grote