Andachten

An(ge)dacht

Fortuna

Wir hatten einen Gast den Sommer über in der Markuskirche, im Altarraum: Fortuna – die römische Göttin des Glücks, des Schicksals. Eine Bronzeplastik von Gerhard Marcks. Sie stand dort bis Mitte September. Ich habe mich an dieser Gestalt in diesen Monaten immer wieder gefreut. Sie strahlt eine Ruhe aus, Gelassenheit, die einer Schicksalsgöttin fremd sein könnte. Kann einen das Schicksal nicht manchmal ziemlich böse hin und herwerfen und furchtbar treffen? Warum erscheint diese Fortuna so freundlich?

Die rechte Brust ist unbedeckt. Ein altägyptisches Motiv aus dem 7. Jh. v. Chr. steckt dahinter: Göttin Isis stillt das Horuskind. Koptische, ägyptische Christen nahmen das Motiv 1000 Jahre später auf. Ab dem 6. Jh. n. Chr. bis in die Gegenwart begegnen uns Darstellungen von Maria, die das Jesuskind stillt („Maria lactans“) und so zugleich auch uns Menschen stärkt.

So ist mir diese Fortuna ein Bild dafür, dass Gott in unserem Schicksal – auch dem dunklen, unbegreiflichen Schicksal – noch gegenwärtig ist und uns die Kräfte geben will, die wir brauchen. Dietrich Bonhoeffer hat es in seinem Glaubensbekenntnis so formuliert: Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber Gott gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn verlassen. Unsere Kraft wäre sonst bald am Ende.

Und darin unterscheidet sich dieses Bekenntnis doch von einer bloßen Schicksalsergebenheit: Ich glaube, dass Gott nicht wie ein unberechenbares Schicksal über uns kommt, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Pastor Bertram Sauppe

Pfingsten 2016

„O komm, Du Geist der Wahrheit“ wird es wieder am Pfingstfest durch den Kirchraum hallen. Durch die Gabe des Heiligen Geistes erhalten die Anhänger_innen Jesu - damals wie heute - Kraft und Hoffnung. Doch das Pfingstlied bringt noch eine weitere Facette des Geistes zum Ausdruck: die Wahrheit.

Dorothee Sölle hat dazu ein Gebet in Anlehnung an Psalm 51 geschrieben:

Schaffe in mir Gott ein neues Herz
das alte gehorcht der Gewohnheit
Schaffe mir neue Augen
die alten sind behext vom Erfolg […]
Schaffe in mir, Gott, ein neues Herz
und gib mir einen neuen Geist
dass ich dich loben kann, ohne zu lügen
mit Tränen in den Augen,
wenn es denn sein muss,
aber ohne zu lügen

Diese Zeilen sprechen mir sehr aus dem Herzen. Oft schleichen sich mir Einwände in den Kopf, wenn ich z. B. „Lobe den Herren“ singe und dabei an die Konfliktherde in vielen Ländern denken muss. Die Anwesenheit von Ungerechtigkeit und Leid kann ich im Alltag und im Gottesdienst oft nicht ausblenden und vor Gott möchte ich nichts ungesagt lassen.

Der Wahrheit offen und trotzig ins Angesicht schauen zu können, Freud und Leid neben einander bestehen lassen zu können, für diese gewichtige Aufgabe und meinem Herzenswunsch, authentisch zu Gott zu beten, hoffe ich an Pfingsten wieder auf neue Kraft, getragen durch den Geist der Wahrheit.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein inspirierendes Pfingstfest!

Ihre Christine Schröder,
Pastorin an der Apostelkirche